DIE USA UND DEUTSCHLAND – FREUNDE IN TURBULENTEN ZEITEN

Jürgen Hardt (1963) ist Koordinator der Bundesregierung für die transatlantische Zusammenarbeit und sieht die deutsch-amerikanische Freundschaft durch Debatten unter Freunden gefestigt.

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Jürgen Hardt 

Die USA und Deutschland – Freunde in turbulenten Zeiten 

Was für ein aufregendes Jahr! Wir feiern in diesem Jahr den 25. Jahrestag des Mauerfalls, der Überwindung der Teilung Deutschlands und Europas und somit auch eine Sternstunde der transatlantischen Beziehungen. Denn auch Dank der politischen Weitsicht und Risikobereitschaft des damaligen US-Präsidenten George H.W. Bush mündeten diese Entwicklungen im historischen Geschenk der Wiedervereinigung. 

Nicht nur wegen des Amtes, das ich bekleide, ist es mir wichtig, diesen transatlantischen Blick auf die historischen Ereignisse zu betonen. Ein jeder von uns – gerade auch die jüngere Generation, die den Mauerfall und die Wiedervereinigung als Kind oder noch gar nicht erlebt hat – sollte sich der historischen Bedeutung dieser einmaligen Wertepartnerschaft bewusst sein. 

Zugleich blicken wir auf eine Welt, die aus der Ordnung geraten zu sein scheint. Wir reden über die völkerrechtswidrige Annexion der Krim und das anhaltende Zündeln durch Russland in der Ostukraine; wir reden über eine neue Qualität menschenverachtender Gewalt durch den sogenannten „Islamischen Staat“ in immer weiteren Teilen des Nahen und Mittleren Ostens; und wir reden über den aggressiv grassierenden Ebola-Virus, der nicht nur die Existenz ganzer Gesellschaften gefährdet, sondern uns zunehmend vor ein Sicherheitsrisiko stellt. 

Auch wenn es bei all diesen Krisen, die unvorstellbares Leid hervorrufen, schwer fällt, eine Priorisierung vorzunehmen, so steht eines fest: Sie können nur effektiv und wirksam im transatlantischen Verbund, in enger Partnerschaft zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika auf der einen und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten auf der anderen Seite gelöst werden. Angesichts der Herausforderungen der sich neu definierenden und immer krisenanfälligeren Welt sind enge transatlantische Bande wichtiger denn je.

Diese Erkenntnis mag paradox in den Ohren jener klingen, die angesichts der Enthüllungen durch einen ehemaligen NSA-Mitarbeiter einen neuen Tiefpunkt in den transatlantischen Beziehungen heraufzubeschwören suchen. Dabei möchte ich nicht kleinreden, dass eine wichtige transatlantische Debatte über das richtige Verhältnis von Sicherheit auf der einen und dem Schutz der Privatsphäre im digitalen Zeitalter auf der anderen Seite entbrannt ist, die wir noch nicht zu Ende geführt haben. Aber wir haben in der Zwischenzeit die richtigen Foren entwickelt, um diese Diskussion in konstruktive Bahnen zu lenken. In diesen Foren führen wir das transatlantische Gespräch über die Herausforderungen unserer digitalen Zukunft in der Zuversicht, dass am Ende ein gemeinsames Verständnis gemeinsame Lösungen hervorbringt. 

Zur transatlantischen Freundschaft gehört – wie zu jeder Freundschaft – die Bereitschaft, dem jeweils anderen ehrliches und offenes Verständnis entgegen zu bringen. Und so muss in der Debatte über die richtige Balance zwischen Sicherheit und Schutz der Privatsphäre berücksichtigt werden, dass der Freude über die Überwindung der Teilung auf dieser Seite des Atlantiks das traumatische Ereignis des 11. Septembers auf der anderen Seite des Atlantiks gefolgt ist. Unterschiedliche Erfahrungen prägen unterschiedliche Umgangsweisen. 

Und während wir diese wichtige Debatte führen, können wir gewiss sein, dass uns in der unübersichtlichen Welt von heute als Demokratien, als Verfechter einer freien und friedlichen Weltordnung unendlich viel mehr verbindet, als uns trennt.

In diesem Wissen und mit der Gestaltungskraft, zu der ein funktionierendes transatlantisches Bündnis nach wie vor wie kein anderes Bündnis in der Lage ist, sollte uns auch das zentrale geostrategische und zukunftsweisende transatlantische Projekt gelingen: die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft. Mit neuem politischem Momentum und einer offenen und faktenbasierten Diskussion mit unseren Gesellschaften müssen wir das TTIP-Abkommen aus dem Halblicht der Gerüchte und Fehlwahrnehmungen herausholen und es als das vorantreiben, was es sein soll: das Projekt einer gemeinsamen Prägung von Normen und Standards und Werten, die weltweit ausstrahlen und Maßstäbe setzen können. TTIP würde zudem elementar zu Wachstum und Arbeitsplatzsicherheit in Deutschland und Europa beitragen, was in Zeiten weltwirtschaftlicher Herausforderungen kaum zu unterschätzen ist. In einem immer globaleren Wettbewerb haben wir die – vielleicht einmalige – Chance, einen Rahmen für eine Globalisierung zu schaffen, die unseren Vorstellungen von richtigem Wirtschaften, von sozialem Ausgleich, von Freiheits- und Schutzrechten, von Demokratie, von Lebensqualität und von ihrer ökologischen Verträglichkeit entspricht und weit über unsere Grenzen hinaus Wirkung verleiht. 

Es ist müßig zu sagen, dass andere Nationen sehr genau darauf schauen, ob es uns – den Vereinigten Staaten von Amerika und der Europäischen Union – gelingt, diesen großen Schritt zu gehen. 

Die transatlantische Partnerschaft ist wichtiger und enger denn je. Allerdings nimmt das Bewusstsein hierüber kontinuierlich ab – nicht zuletzt durch den Abbau der über Jahrzehnte bestehenden US-Truppenpräsenz und des sichtbaren sicherheitspolitischen Schutzschirms, der die Entwicklung unser freiheitlichen, demokratischen Ordnung und unserer erfolgreichen sozialen Marktwirtschaft möglich gemacht hat. Umso mehr ist es eine gemeinsame Herausforderung, die junge Generation von der Bedeutung der transatlantischen Beziehungen zu überzeugen und den transatlantischen Blick zu schulen. Hierin sehe ich eine wichtige Aufgabe in meinem Amt.

 

Jürgen Hardt (1963) ist seit 2009 Mitglied des Deutschen Bundestags und seit April 2014 Koordinator der Bundesregierung für die transatlantische Zusammenarbeit. Zuvor war er Leiter der Unternehmenskommunikation des Familienunternehmens Vorwerk.

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