KULTUR DES MAßES

Bernhard Vogel sieht bei den Koalitionsverhandlungen die Gefahr, daß zu vieles gesetzlich regelt wird. Um der Freiheit willen sei hier Wachsamkeit geboten.

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Bernhard Vogel

Für den Staat eine „Kultur des Maßes“ 

Der freiheitlich, demokratische Rechtsstaat, wie er unserem Grundgesetz zu Grunde liegt, darf die Freiheit des Menschen nicht einengen. Er darf nicht ständig ausufernde Ansprüche an seine Bürger stellen. Die Bürger wiederum müssen für ihren Freiraum streiten.

Paul Kirchhof, der „Professor aus Heidelberg“ und langjährige profilierte Bundesverfassungsrichter, dem in diesen Tagen von „Ordo socialis“, einer wissenschaftlichen Vereinigung zur weltweiten Förderung der christlichen Gesellschaftslehre der „Ordo Socialis-Preis 2013“ verliehen worden ist, weiß: „Eine freiheitliche Gesellschaft wird scheitern, wenn die Freiheitsberechtigten nicht die Kraft zur eigenverantwortlichen Bindung mitbringen, sie nicht in gemeinsamen Prinzipien den Zusammenhalt der freiheitlichen Gesellschaft garantieren“.

Dazu bedarf es der Macht des Staates, eines wirkungsvollen, handlungsfähigen, beileibe keines schwachen Staates. Er muss die Freiheit des Bürgers schützen und darf sie ihm nicht nehmen. Dieser „starke Staat“ vertraut auf den Willen der Bürger zur Freiheit. Bürger, die sich um ihre Angelegenheiten selbst kümmern, sich Gedanken machen, eigene Vorstellungen entwickeln. Es bedarf Bürger, die sich ungern vorschreiben lassen, was für sie gut oder schlecht, richtig oder falsch ist. Freie Menschen, die ihres eigenen Glückes Schmied sind, die aber dabei zugleich solidarisch handeln, für einander einstehen, einander helfen, die sich um unsere Gemeinwesen kümmern.

Der Staat soll die dafür notwendigen Rahmenbedingungen schaffen. Er soll das notwendige Recht setzen, damit die Freiheit sich entfalten kann. Das Recht, das er setzt, soll verlässlich, transparent und verständlich sein.

Von Montesquieu stammt das Wort: „Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen“. Das heißt der Staat soll sich eine „Kultur des Maßes“ auferlegen. Er soll dort, wo er gefragt ist, entscheiden und handeln und sich zugleich dort heraushalten, wo er nicht gefragt oder gefordert ist. Er soll nicht der Versuchung erliegen, alles regeln und steuern zu wollen. Er braucht nicht für alles zu sorgen.

Es wäre hilfreich und nützlich, wenn sich die Akteure der gegenwärtigen Koalitionsverhandlungen ein wenig mehr nach diesen Grundsätzen richteten. Die Gefahr, alles oder jedenfalls zu vieles gesetzlich zu regeln, droht. Und die übergroße Parlamentsmehrheit, die die angestrebte große Koalition trägt, droht diesen Plänen nicht Einhalt zu gebieten. Die notwendig sehr schwache Opposition ihrerseits wird das weder verhindern können, noch verhindern wollen. Wachsamkeit um der Freiheit willen ist angebracht.

Bernhard Vogel (1932) hat in Heidelberg und München PolitischenWissenschaft, Geschichte, Soziologie und Volkswirtschaft studiert und war dann bis 1967 Lehrbeauftragter an der Universität Heidelberg, Er war von 1965 – 2004 Bundestags- bzw. Landtagsabgeordneter, Kultusminister in Rheinland-Pfalz (1967 – 1976) sowie Ministerpräsident in Rheinland-Pfalz (1976- 1988) und Thüringen (1992 – 2003).. Außerdem war u. a. Vorsitzender des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken (1972 – 1976) und der Konrad-Adenauer-Stiftung (1989 – 1995 und 2001 – 2009). Er gehört zu den Herausgebern von kreuz-und-quer.de

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