EIGENTUM VERPFLICHTET

Stefan Raetz beleuchtet als Bürgermeister die Sozialpflichtigkeit des Eigentums in den Kommunen vor Ort.

Den folgenden Text können Sie hier ausdrucken.

Stefan Raetz

Eigentum verpflichtet – Warum und zu was eigentlich?

Dieser Beitrag nimmt aus kommunalpolitischer Sicht besonders zwei Bereiche in den Blick: 

  1. Eigentum verpflichtet – eine zentrale Verantwortung für Eigentümer, Bewohner und Nutzer. 
  1. Eigentum verpflichtet – eine besondere Verantwortung auch zur Baukultur und damit zur örtlichen Identität.

Es geht dabei nicht um eine juristische Abhandlung streng an Art. 14 GG, sondern darum, die Sozialpflichtigkeit des Eigentums in seinen verschiedenen Facetten zu skizzieren.

Es gibt eine gesamtgesellschaftliche Verpflichtung aus dem Eigentum. Das gilt es mal wieder ins Bewusstsein zu heben. Nachbarschaft ist mehr als nur von seinem Umfeld zu profitieren. Nachbarschaft fängt an der eigenen Nase an. Ein Wohngebäude ist nun mal mehr als nur ein Investitions- und Renditeobjekt. Viel mehr!

Eine Hausfassade ist mehr als nur eine Gebäudehülle. Sie ist auch mehr als nur Mittel zum Zweck für eine möglichst optimale Dämmwirkung! Wohngebäude, Hausfassade und Nachbar­schaften sind das, was unsere Städte und Gemeinden ausmachen. Ohne ein funktionierendes Zusammenwirken gibt es kein Leben in der Stadt! Der Eigentumsgebrauch unterliegt nicht al­lein dem freien Belieben des Eigentümers; er unterliegt vielmehr auch dem grundrechtsbe­grenzenden Gebot der Sozialpflichtigkeit.

Diese Sozialpflichtigkeits-Theorie findet sich bereits in der Antike. Gemäß Cicero sollen wir „den gemeinsamen Nutzen in den Mittelpunkt stellen und durch gegenseitige Leistungen, durch Geben und Nehmen, ferner durch Fachkenntnisse, Hilfeleistung und materielle Mittel das Band der Zusammengehörigkeit der Menschen untereinander knüpfen.“ Halten wir uns denn heute noch daran?

Auch in der christlichen Theologie und Soziallehre ist dieser Gedanke stark verankert: In der Pastoralkonstitution des Zweiten Vatikanums ist der Grundsatz ebenfalls enthalten: Hier heißt es: „Darum soll der Mensch, der sich dieser Güter bedient, die äußeren Dinge, die er rechtmäßig besitzt, nicht nur als ihm persönlich zu eigen, sondern muß er sie zugleich auch als Gemeingut ansehen in dem Sinn, daß sie nicht ihm allein, sondern auch anderen von Nut­zen sein können.“ Wir sollten mal wieder häufiger dran denken!

Schon in der Weimarer Verfassung von 1919 (§ 153, Abs. 3) fand die Sozialpflichtigkeit fol­genden Niederschlag: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich Dienst sein für das Gemeine Beste.“ Insofern war die aktuelle grundgesetzliche Regelung bereits sehr früh in un­serem Werteverständnis verankert. Die Formel „Eigentum verpflichtet“ soll die soziale Kom­ponente in der Marktwirtschaft betonen.

Eigentlich sollte man das Grundgesetz öfter zur Hand nehmen, denn es ist in verdichteter Form die Essenz unseres Werte- und Staatsverständnisses und in jeder Zeile zeitgemäß und wegweisend. Wie furchtbar sind dagegen unsere heutigen Vorschriften zu lesen! Lang und langweilig!

Was kann dies nun für uns und unser alltägliches Handeln heißen?

Wenige materielle Güter haben einen derartigen qualitativen Einfluss auf die Lebenswelten der Menschen wie Immobilien. Sie sind Schutzraum, bieten eine Heimat für die Familie, sind Orte der Arbeit, der Kultur und auch der Spiritualität. Sie definieren in hohem Maße die Le­bensqualität unsere Städte und Orte und prägen ihr Umfeld teilweise über Generationen.

Wer Wikipedia bemüht, findet zu dem Stichwort „Immobilie“ ausschließlich wirtschaftliche und juristische Ausführungen gelesen – kein Wort von Werten, von Identitäten, von Fürsorge und Verantwortung. Umso mehr sollten diese Wertfragen Einzug in unser alltägliches immo­bilienwirtschaftliches Handeln erhalten, bei dem oftmals zunächst die spezifische Rendite im Zentrum der Betrachtung steht.

Aber Eigentum verpflichtet zu mehr als nur zum Schneeräumen im Winter und zur pünktli­chen Zahlung der Grundsteuer, was uns Kommunen freut. Jeder Hauseigentümer muss auch bedenken, dass eine Stadt, vor allem eine Innenstadt, auch emotionale Aspekte hat. Eine Stadt, eine Innenstadt lebt durch Häuser, Fassaden, Plätze und das Grün. Das macht Atmo­sphäre aus!

So wird, so ist die Stadt Ort der Begegnung, Ort des sozialen Austauschs, ein Ort wo gearbei­tet, gewohnt und eingekauft wird. Das kann keine virtuelle Welt bieten. Auch nicht das größte Kaufhaus und Entertainmenthaus der Welt – das Internet! Um das zu halten und weiter zu er­möglichen muss Eigentum weiterhin verpflichten.

Hier stehen wir, gerade in Zeiten des demographischen Wandels, vor großen Herausforderun­gen. Konversionsflächen müssen bei der Nachnutzung und Entwicklung absoluten Vorrang haben vor der Neuinanspruchnahme von Fläche! Schrottimmobilien dürfen nicht als negatives Renditeobjekt ein ganzes Gebiet in den Niedergang ziehen. Wo bleibt da die Verpflichtung aus dem Eigentum?

Leerstand muss ganz klar und dauerhaft beseitigt werden. Hier geht es um eine qualitätsvolle Nachnutzung und nicht nur um den Nutzer, der am meisten zahlt. Drei 1-Euro-Läden neben­einander prägen sofort die ganze Straße! Eigentum verpflichtet auch mal nachzudenken wem ich mein Ladenlokal vermiete. Der Nachbar wird es Ihnen danken – nicht nur unter dem Ge­sichtspunkt des Wertverlustes. Es gehen sonst auch andere Werte, nicht nur finanzielle, ver­loren!

Graffiti hat nichts an Hausfassaden zu suchen. Wenn sich hier Schmierfinken ausgetobt ha­ben, dann muss sofort gehandelt werden. Sonst wird aus dem kleinen Schriftzug an der Wand schnell ein Wirrwarr von unterschiedlichsten Darstellungen. Eigentum verpflichtet auch vor Graffiti nicht zu kapitulieren.

Wohnungen in der Stadt dürfen nicht aus Bequemlichkeit leer stehen oder zweckentfremdet werden. Wir können uns bei der Wohnungsknappheit in der Region nicht leisten, dass unten ein Einzelhändler florierende Geschäfte macht und ab dem ersten Obergeschoss nur noch 2 oder 3 Etagen Lager ist. Hier muss auch wieder Wohnen möglich sein. Das gibt der Innenstadt auch die notwendige soziale Kontrolle am Abend und in der Nacht. Eigentum verpflichtet!

Eine schöne Fassade prägt in weiten Teilen den Charakter einer Straße. Auch hier ist der Ei­gentümer gefordert. Eine Fassade sollte ästhetisch sein, sich – wie das ganze Gebäude – ein­passen und einfach „schön“ sein. Natürlich verwittert die Nordamerikanische Tanne als Holz in der Fassade edel, aber passt das immer? Eigentum verpflichtet auch zu mehr Sinn für Op­tik.

Die Öffentliche Hand muss weiterhin mit ihrem nur von der Nachfolgegeneration geliehenem Eigentum (denn auf deren Kosten leben wir heute!) sorgsam und vorbildlich umgehen. Wenn wir uns schon nicht an die Spielregeln halten, wie wollen wir es dann von den Privaten ver­langen? Eigentum verpflichtet auch die Städte und Gemeinden.

Eine Immobile ist eben mehr ist als nur reines Renditeobjekt. Ich kann Ihnen leider aus dem Alltag eines Bürgermeisters viele Beispiele nennen, in denen dies von Investoren und Bauher­ren oft vergessen wird. Hier geht oft die maximale Optimierung vor Baukultur, vor Maßstäb­lichkeit, vor Behutsamkeit im Umgang mit der Umgebung. Es ist eine große Verantwortung aller politisch aktiven Ehrenamtler und einer Stadtverwaltung hier gegen zu halten. Das geht aber nur, wenn man es auch kapiert hat!

Vergessen wir nicht: Das Leben in einer Stadt, besonders in einer Innenstadt ist zunehmend davon geprägt wie Hauseigentümer mit ihrem Eigentum umgehen. Eine Stadt, eine City muss Charme entwickeln, muss sauber und sicher sein. Oft sind es die vielen kleinen netten Dinge, die eine Stadt verwandeln. Dort, wo ein gefälliges Ambiente vorherrscht, wo die Stadt durch spannende Architektur ein eigenes, unverwechselbares Gesicht entwickelt, da möchte man wohnen, leben, arbeiten und Eigentum erwerben!

Lassen Sie sich in Ihrem immobilienwirtschaftlichen Handeln auch im Sinne des Grundge­setztes lenken und leben Sie gesellschaftliche Verantwortung im Umgang mit Ihren Immobili­en vor! Denn: Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemein­heit dienen…

Stefan Raetz (1959) Bürgermeister der Stadt Rheinbach seit 1999, u.a.: Sprecher der Bürgermeister im Rhein-Sieg-Kreis, Mitglied im Präsidium des StGB NRW, Vorsitzender des Ausschusses für Städte­bau, Bauwesen und Landesplanung im StGB NRW, Mitglied im Ausschuss für Städtebau und Umwelt DStGB, Stv. Vorsitzender im Prüfungsausschuss Städtebau des Oberprüfungsamtes, Beiratsmitglied Haus&Grund, Aufsichtsratsvorsitzender Bonner Wohnungsbaugenossenschaft, Beiratsmitglied Wohn­raumförderung NRW-Bank.

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