OBAMA VOR ALTEN UND NEUEN HERAUSFORDERUNGEN

Lars Hänsel leitet das Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung in Washington und gibt einen Ausblick aus Obamas zweite Amtszeit.

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Lars Hänsel

Start in die zweite Amtszeit:
Obama vor alten und neuen Herausforderungen

Wenn Präsident Barack Obama heute die zweite Amtszeit beginnt, dann ist die Stimmung anders als 2008 nicht mehr „Hope and Change“. Die Erwartungen sind mindestens auf Normalmaß reduziert. Das kann ihm helfen. Machtpolitisch ist aber alles gleich geblieben. Der Kongress ist nach wie vor gespalten, die Gräben scheinen sogar noch tiefer zu sein. Das wird ihn weiter behindern.

Ging es in der ersten Amtszeit vor allem um die Wiederwahl, geht es jetzt um den Platz in den Ge­schichtsbüchern. Dafür hat der Präsident ein Handlungsfenster von etwa einem reichlichen Jahr, be­vor sich alles wieder auf die nächste Wahl konzentriert. Zu Beginn der zweiten Amtszeit ist die Inbox voll: Es warten dringende Aufgaben auf ihn, welche noch aus der ersten Amtszeit stammen.

Ganz oben befindet sich ein aufgeschobenes, täglich dringender werdendes Problem: der Staats­haushalt. Zwar hatte er sich in letzter Minute mit dem Kongress einigen und den Sturz von der fis­kalischen Klippe abwenden können. Gelöst sind die Probleme damit aber noch lange nicht. Die Ver­schuldung beträgt nun weit über 100 Prozent der Wirtschaftsleistung. Schon im März ist erneut die (selbst auferlegte) Schuldengrenze erreicht. Wenn es bis dahin dann keine Einigung im Kongress geben sollte, droht wiederum die Zahlungsunfähigkeit. Die Republikaner beharren weiter auf we­sentlichen Ausgabenkürzungen, sonst stimmen sie der Ausweitung der Schuldenobergrenze nicht zu. Mittelfristig führt wohl kein Weg an gleichzeitigen Ausgabenkürzungen und einer Anhebung der Staatseinnahmen vorbei. Substanzielle Kürzungen sind nur zu erreichen, wenn auch (wie bisher für die Demokraten) der Sozialhaushalt nicht tabu ist. Eine Anhebung der Staatseinnahmen bedeutet eine Überholung der Steuergesetzgebung. Das Steuerrecht ist mehr eine Form der Verteilung von Geschenken und zu wenig Instrument für Einnahmen – zu viele Interessengruppen haben bislang Ausnahmen durchsetzen können.

Es ist zu befürchten, dass es keine umfassenden Lösungen geben wird, sondern auf kurzfristige Ent­spannungen neue Krisen folgen werden. Mancher nennt es sarkastisch die „Europäisierung Ameri­kas“. Das Problem des Staatshaushaltes und zähe Verhandlungen könnten die zweite Amtszeit über­schatten und die Beziehungen zum Kongress bestimmen, den er für die anstehenden Aufgaben braucht.

Die Gesundheitsreform ist zwar in der ersten Amtszeit beschlossen worden, muss nun aber erfolg­reich umgesetzt werden. Die Umsetzung wird viel politische Energie kosten. Der Gesundheitssektor verschlingt schon heute ca. 17 Prozent der Wirtschaftsleistung. Das ist langfristig nicht nachhaltig.

In den vergangenen Wochen sind zudem neue, dringende Aufgaben für den Präsidenten hinzuge­kommen: Nach dem Massaker von Newtown war die Debatte um eine strengere Regulierung von Waffen nicht mehr nur ein mediales Strohfeuer. Jetzt steht Obama unter Handlungsdruck, endlich strengere Gesetze auf den Weg zu bringen. Bislang galt eine nachhaltige Regulierung von Waffen als unmöglich. Nun gibt es zwar eine neue Dringlichkeit, aber nicht unbedingt neue politische Op­tionen. Der Einfluss der Waffenlobby ist nach wie vor ungebrochen. Letztlich geht es um die Frage, ob der Kongress zu Kompromissen bereit ist. Auch viele Demokraten kommen aus Wahlkreisen, in welchen sie ihre Wiederwahl durch die Unterstützung neuer Waffengesetze in Frage stellen könn­ten. Immerhin hat Obama die Möglichkeit, durch “executive order” neue Regelungen durchzuset­zen. Allein die Erwähnung der Möglichkeit heizt bei den Gegnern Verschwörungstheorien an, wo­nach Obama den Amerikanern die Waffen nehmen und sie schutzlos inneren und äußeren Feinden aussetzen möchte. Ein Waffenverbot der Briten hatte den Unabhängigkeitskrieg von 1776 mit aus­gelöst.

Neben dem Dringenden will Obama sich auch dem Wichtigen widmen. Hier hat er bereits drei Be­reiche ausgemacht.

Er will zunächst die Wirtschaft wieder in Gang bringen und die bei ca. acht Prozent stagnierende Arbeitslosigkeit abbauen. Im Wahlkampf hatte Obama zwar erfolgreich darauf verwiesen, dass er eine desaströse Wirtschaftslage geerbt hatte und ist damit trotz schlechter Daten wiedergewählt worden. Für einen Platz in den Geschichtsbüchern reicht dies jedoch nicht, wenn er hier keine we­sentliche Verbesserung erzielen kann. Einen neuen Wirtschaftsaufschwung will Obama u.a. durch neue Infrastrukturprojekte erreichen.

Als wichtig gilt dem Präsidenten auch die Immigrationspolitik. Die größte Herausforderung ist der Umgang mit den etwa 12 Millionen illegalen Einwanderern. Immigration könnte sogar ein Bereich sein, in welchem er mit Unterstützung der Republikaner rechnen kann. Als allein von weißen Wäh­lern getragene Partei haben die Republikaner keine Zukunft, dies hat spätestens die vergangene Wahl gezeigt. Es gibt gemeinsame Interessen, aber auch Unterschiede. So will der Präsident eine umfassende Lösung, während die Republikaner einen stufenweisen und auf bestimmte Gruppen wie Kinder, Studenten etc. differenzierten Ansatz verfolgen.

Präsident Obama hat bereits die Energie- und Klimapolitik als drittes großes Thema für die zweite Amtszeit genannt. Auch wenn der letzte große Sturm „Sandy“ eine neue Diskussion über Klima­wandel ausgelöst hat, kann er nicht mit einer breiten Unterstützung für eine progressivere Klimapo­litik im Kongress rechnen. Dennoch könnte er mit exekutiven Maßnahmen eine Neugewichtung im Energiemix erreichen.

Bleibt die Außenpolitik. Die Hinwendung nach Asien wird sicher fortgesetzt. Dies zeigte schon sei­ne erste Reise nach der Wahl. Sie führte Obama nach Asien. Die Beziehungen zu China stehen im Vordergrund, welche Obama so gestalten muss, dass die den Chancen, aber auch Herausforderun­gen gerecht werden. Die Hinwendung zu Asien ist dabei weniger eine Abwendung von Europa als vielmehr vom Nahen Osten. Mit wachsender Energieunabhängigkeit nimmt dessen Bedeutung ab. Allerdings bleiben große Herausforderungen, denen er sich nicht entziehen kann: allem voran Iran, wo die Stunde der Wahrheit näher rückt.

Das sind große Aufgaben, deren Bewältigung über Barack Obamas Platz in den Geschichtsbüchern entschei­den wird.

Dr. Lars Hänsel (1967) leitet seit 2011 das Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung in Washington DC mit Zuständigkeit für die USA und Kanada. Nach dem Studium der evangelischen Theologie ab 1988 in Leipzig, Tübingen und Jerusalem vertrat er für viele Jahre die Konrad-Adenauer-Stiftung in Israel.

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